Kolumne Nina Haller
Bildquelle: Unsplash
Metas KI-Wette: Warum Zuckerbergs All-in auf Automatisierung die Werbebranche vor existenzielle Fragen stellt.
Mark Zuckerberg hat einen neuen Werbetraum: Kampagnen ohne Menschen. Ohne Briefing, ohne Targeting, ohne Kreation. Es gibt nur ein Ziel und ein Konto – den Rest erledigt die Maschine. Im Gespräch mit Ben Thompson hat der Meta-CEO verkündet, dass künftig niemand mehr eine Creative- oder Media-Strategie braucht. Die KI werde es schon richten.
Doch hinter dieser techno-utopischen Vision bröckelt es gewaltig. Intern. Technologisch. Strategisch. Und genau deshalb lohnt es sich, genauer hinzusehen. Nicht aus Alarmismus heraus, sondern weil dieser Umbauversuch der Werbewelt einen lehrreichen Blick in die Zukunft ermöglicht – mit all ihren Verheißungen, Widersprüchen und Gefahren.
„Ob Agenturen überleben, entscheidet nicht Meta. Es kommt darauf an, ob wir den Unterschied kennen – zwischen Kreativität und Kreation, zwischen Technik und Bedeutung, zwischen Output und Impact.“
Das schwache Herz der Superintelligenz
Im Zentrum von Zuckerbergs Plan steht Metas Sprachmodell Llama 4, das der große Befreiungsschlag sein sollte: ein Modell, das Werbemittel generiert, skaliert und optimiert – auf Knopfdruck. Doch intern entpuppte sich Llama 4 als überambitioniert und unterperformant. Die Benchmark-Werte waren enttäuschend. Interne Tests offenbarten, dass das Modell wenig von Kontext und noch weniger von Markenführung versteht. Sein Nachfolger mit dem Codenamen „Behemoth“ wurde bereits auf Eis gelegt.
Was bleibt, ist eine gigantische PR-Fassade, hinter der sich ein brüchiges Fundament verbirgt. Meta kauft hektisch bei Scale AI zu und investiert Milliarden in Datenlabeling und KI-Infrastruktur. Das wirkt weniger wie ein strategischer Plan und mehr wie eine Schadensbegrenzung durch schiere Kapitalmasse.
Der Riss im Meta-Konzern: zwei Philosophien, ein Machtkampf.
Besonders brisant ist, dass die technologische Unsicherheit von einem offenen Richtungsstreit innerhalb des Konzerns begleitet wird. Während Zuckerberg auf die generative Allmacht setzt, verfolgt Yann LeCun, Metas Chief AI Scientist, einen fundamental anderen Kurs. Für LeCun ist generative KI eine Sackgasse. LLMs wie Llama seien beeindruckende Sprachpapageien, aber keine echten Denker. Sie lernen Text, nicht Welt. Verständnis entstehe, so LeCun, durch Interaktion – nicht durch Wahrscheinlichkeiten.
Mit JEPA (Joint Embedding Predictive Architecture) entwickelt LeCuns Team ein alternatives Modell, das auf Weltverständnis statt Sprachsynthese setzt. Es sind zwei völlig verschiedene Visionen, die bei Meta gleichzeitig verfolgt werden. Nicht als Vielfalt, sondern als unentschiedener Spagat. Diese interne Zerrissenheit ist kein akademischer Streit. Sie zeigt, dass selbst im Epizentrum der KI-Industrie niemand genau weiß, wohin die Reise geht. Zudem wird deutlich, wie sehr Zuckerbergs All-in-Strategie von Überzeugung statt von technischer Reife getrieben ist.
Der Superintelligenz-Personenkult
Anstatt mit Substanz zu überzeugen, inszeniert sich Meta in der Zwischenzeit als globaler Talentmagnet. Zuckerberg führt Bewerbungsgespräche persönlich in seinen Privatvillen und ein WhatsApp-Chat namens „Recruiting Party“ koordiniert rund um die Uhr das Anwerben von KI-Stars. Das Ziel ist ein 50-köpfiges Superteam, das Meta an die Spitze katapultieren soll.
Was zunächst wie eine Mastermind-Offensive klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eher verzweifelter Versuch, Durchbrüche zu erzwingen – mit Geld, Namen und Prestige. KI als Leistungsschau. Das ist kein Technologieprogramm. Das ist Hoffnung in Menschenform. Der Superintelligenz-Bluff.
Die Automationsfalle
Selbst wenn die Technik eines Tages hält, was sie verspricht, bleibt die Frage: Wollen wir das überhaupt? Was bedeutet es außerdem, wenn alle Werbetreibenden auf denselben Algorithmus setzen?
Zuckerbergs Zukunftsmodell ist eine Logikmaschine. Unternehmen geben ihre Business-Ziele ein – Umsatzsteigerung, Marktführerschaft, Kundenbindung – und die KI organisiert die Kommunikation. Doch wenn alle das Gleiche wollen, wer „gewinnt” dann? Und wer entscheidet? Meta natürlich.
Wenn 20 Marken das gleiche Ziel eingeben, entscheidet der Algorithmus. Nach Intransparenz. Nach Auktion. Nach Meta-Kriterien. Willkommen in der Blackbox-Werbung!
Was heute noch nach Effizienz klingt, kann morgen bereits zur Abhängigkeit werden. Marken werden kommodifiziert. Unterschiedslos. Austauschbar. Wer sich nicht differenziert, liefert nur noch Rohstoff für die Meta-Maschine.
Was Agenturen daraus lernen müssen
Zuckerbergs Vision ist ein Warnschuss. Keine Apokalypse. Aber ein Weckruf. Agenturen, die nur das liefern, was automatisiert werden kann, werden ersetzt. Wer jedoch Leistungen erbringt, die Maschinen nicht können, wird unverzichtbar.
Das bedeutet:
Die Zukunft wird nicht programmiert sondern gestaltet. Zuckerbergs Wette ist radikal. Und verdammt teuer. Mit bis zu 65 Milliarden Dollar versucht Meta, die Regeln der Werbung neu zu schreiben – ohne Agenturen, ohne Kreative, ohne Widerspruch. Aber das ist kein Naturgesetz. Es ist ein reiner Business Case. Und der Ausgang? Offen wie nie.
Nicht Meta entscheidet, ob Agenturen überleben. Es kommt darauf an, ob wir den Unterschied kennen – zwischen Kreativität und Kreation, zwischen Technik und Bedeutung, zwischen Output und Impact.
Denn eines ist sicher: Die Zukunft der Werbung wird nicht allein von Algorithmen geschrieben. Sie wird von denen geschrieben, die verstehen, was bleibt, wenn man alles automatisieren will – und was dann erst recht zählt.
Dieser Artikel entstand nach einer Interviewanfrage der Campaign Deutschland. Zum Campaign-Artikel „Meta's AI Lösungen: Das denken Agenturen und CMOs über Zuckerbergs Werbe-Takeover“ hier klicken.
Nina Haller ist eine digitale Strategin und gefragte KI-Expertin, die Technologie, Markenführung und Innovation verbindet. Als eine der W&V Top 100 gilt sie als zentrale KI-Stimme der Branche. Mit über 20 Jahren Erfahrung als Unternehmerin und Stationen bei global führenden Unternehmen wie media.monks, Accenture und WPP entwickelt sie heute KI-gestützte Lösungen und Workflows für Agenturen und Kunden (u.a. eMMy für muehlhausmoers). Als Autorin mehrerer Fachpublikationen treibt sie den Diskurs um künstliche Intelligenz und digitale Innovation voran. Als Beirätin bringt sie ihre umfassende Expertise in der Entwicklung KI-gestützter Kommunikationslösungen ein und gestaltet aktiv die Zukunft der digitalen Transformation.
Kolumne Nina Haller
Metas KI-Wette: Warum Zuckerbergs All-in auf Automatisierung die Werbebranche vor existenzielle Fragen stellt.
Mark Zuckerberg hat einen neuen Werbetraum: Kampagnen ohne Menschen. Ohne Briefing, ohne Targeting, ohne Kreation. Es gibt nur ein Ziel und ein Konto – den Rest erledigt die Maschine. Im Gespräch mit Ben Thompson hat der Meta-CEO verkündet, dass künftig niemand mehr eine Creative- oder Media-Strategie braucht. Die KI werde es schon richten.
Doch hinter dieser techno-utopischen Vision bröckelt es gewaltig. Intern. Technologisch. Strategisch. Und genau deshalb lohnt es sich, genauer hinzusehen. Nicht aus Alarmismus heraus, sondern weil dieser Umbauversuch der Werbewelt einen lehrreichen Blick in die Zukunft ermöglicht – mit all ihren Verheißungen, Widersprüchen und Gefahren.
„Ob Agenturen überleben, entscheidet nicht Meta. Es kommt darauf an, ob wir den Unterschied kennen – zwischen Kreativität und Kreation, zwischen Technik und Bedeutung, zwischen Output und Impact.“
Das schwache Herz der Superintelligenz
Im Zentrum von Zuckerbergs Plan steht Metas Sprachmodell Llama 4, das der große Befreiungsschlag sein sollte: ein Modell, das Werbemittel generiert, skaliert und optimiert – auf Knopfdruck. Doch intern entpuppte sich Llama 4 als überambitioniert und unterperformant. Die Benchmark-Werte waren enttäuschend. Interne Tests offenbarten, dass das Modell wenig von Kontext und noch weniger von Markenführung versteht. Sein Nachfolger mit dem Codenamen „Behemoth“ wurde bereits auf Eis gelegt.
Was bleibt, ist eine gigantische PR-Fassade, hinter der sich ein brüchiges Fundament verbirgt. Meta kauft hektisch bei Scale AI zu und investiert Milliarden in Datenlabeling und KI-Infrastruktur. Das wirkt weniger wie ein strategischer Plan und mehr wie eine Schadensbegrenzung durch schiere Kapitalmasse.
Der Riss im Meta-Konzern: zwei Philosophien, ein Machtkampf.
Besonders brisant ist, dass die technologische Unsicherheit von einem offenen Richtungsstreit innerhalb des Konzerns begleitet wird. Während Zuckerberg auf die generative Allmacht setzt, verfolgt Yann LeCun, Metas Chief AI Scientist, einen fundamental anderen Kurs. Für LeCun ist generative KI eine Sackgasse. LLMs wie Llama seien beeindruckende Sprachpapageien, aber keine echten Denker. Sie lernen Text, nicht Welt. Verständnis entstehe, so LeCun, durch Interaktion – nicht durch Wahrscheinlichkeiten.
Mit JEPA (Joint Embedding Predictive Architecture) entwickelt LeCuns Team ein alternatives Modell, das auf Weltverständnis statt Sprachsynthese setzt. Es sind zwei völlig verschiedene Visionen, die bei Meta gleichzeitig verfolgt werden. Nicht als Vielfalt, sondern als unentschiedener Spagat. Diese interne Zerrissenheit ist kein akademischer Streit. Sie zeigt, dass selbst im Epizentrum der KI-Industrie niemand genau weiß, wohin die Reise geht. Zudem wird deutlich, wie sehr Zuckerbergs All-in-Strategie von Überzeugung statt von technischer Reife getrieben ist.
Der Superintelligenz-Personenkult
Anstatt mit Substanz zu überzeugen, inszeniert sich Meta in der Zwischenzeit als globaler Talentmagnet. Zuckerberg führt Bewerbungsgespräche persönlich in seinen Privatvillen und ein WhatsApp-Chat namens „Recruiting Party“ koordiniert rund um die Uhr das Anwerben von KI-Stars. Das Ziel ist ein 50-köpfiges Superteam, das Meta an die Spitze katapultieren soll.
Was zunächst wie eine Mastermind-Offensive klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eher verzweifelter Versuch, Durchbrüche zu erzwingen – mit Geld, Namen und Prestige. KI als Leistungsschau. Das ist kein Technologieprogramm. Das ist Hoffnung in Menschenform. Der Superintelligenz-Bluff.
Die Automationsfalle
Selbst wenn die Technik eines Tages hält, was sie verspricht, bleibt die Frage: Wollen wir das überhaupt? Was bedeutet es außerdem, wenn alle Werbetreibenden auf denselben Algorithmus setzen?
Zuckerbergs Zukunftsmodell ist eine Logikmaschine. Unternehmen geben ihre Business-Ziele ein – Umsatzsteigerung, Marktführerschaft, Kundenbindung – und die KI organisiert die Kommunikation. Doch wenn alle das Gleiche wollen, wer „gewinnt” dann? Und wer entscheidet? Meta natürlich.
Wenn 20 Marken das gleiche Ziel eingeben, entscheidet der Algorithmus. Nach Intransparenz. Nach Auktion. Nach Meta-Kriterien. Willkommen in der Blackbox-Werbung!
Was heute noch nach Effizienz klingt, kann morgen bereits zur Abhängigkeit werden. Marken werden kommodifiziert. Unterschiedslos. Austauschbar. Wer sich nicht differenziert, liefert nur noch Rohstoff für die Meta-Maschine.
Was Agenturen daraus lernen müssen
Zuckerbergs Vision ist ein Warnschuss. Keine Apokalypse. Aber ein Weckruf. Agenturen, die nur das liefern, was automatisiert werden kann, werden ersetzt. Wer jedoch Leistungen erbringt, die Maschinen nicht können, wird unverzichtbar.
Das bedeutet:
Die Zukunft wird nicht programmiert sondern gestaltet. Zuckerbergs Wette ist radikal. Und verdammt teuer. Mit bis zu 65 Milliarden Dollar versucht Meta, die Regeln der Werbung neu zu schreiben – ohne Agenturen, ohne Kreative, ohne Widerspruch. Aber das ist kein Naturgesetz. Es ist ein reiner Business Case. Und der Ausgang? Offen wie nie.
Nicht Meta entscheidet, ob Agenturen überleben. Es kommt darauf an, ob wir den Unterschied kennen – zwischen Kreativität und Kreation, zwischen Technik und Bedeutung, zwischen Output und Impact.
Denn eines ist sicher: Die Zukunft der Werbung wird nicht allein von Algorithmen geschrieben. Sie wird von denen geschrieben, die verstehen, was bleibt, wenn man alles automatisieren will – und was dann erst recht zählt.
Dieser Artikel entstand nach einer Interviewanfrage der Campaign Deutschland. Zum Campaign-Artikel „Meta's AI Lösungen: Das denken Agenturen und CMOs über Zuckerbergs Werbe-Takeover“ hier klicken.
Nina Haller ist eine digitale Strategin und gefragte KI-Expertin, die Technologie, Markenführung und Innovation verbindet. Als eine der W&V Top 100 gilt sie als zentrale KI-Stimme der Branche. Mit über 20 Jahren Erfahrung als Unternehmerin und Stationen bei global führenden Unternehmen wie media.monks, Accenture und WPP entwickelt sie heute KI-gestützte Lösungen und Workflows für Agenturen und Kunden (u.a. eMMy für muehlhausmoers). Als Autorin mehrerer Fachpublikationen treibt sie den Diskurs um künstliche Intelligenz und digitale Innovation voran. Als Beirätin bringt sie ihre umfassende Expertise in der Entwicklung KI-gestützter Kommunikationslösungen ein und gestaltet aktiv die Zukunft der digitalen Transformation.